- Salzburger Volksblatt 1882, Nr. 28
- Salzburger Zeitung 1882, Nr. 21
- Neue Freie Presse vom 27. Jänner 1882
- Sanct Francisci Glöcklein, IV. Jahrgang (April 1882), Nr. 7
Gestern Abends 6 Uhr erlag der Franziskaner-Ordenspriester P. Peter Singer einem Schlaganfalle. Das so plötzliche Hinscheiden dieses Mannes wird nicht nur in unserer Stadt, sondern allüberall, wo der Name dieses würdigen Diener Gottes gekannt war, ein Gefühl augrichtigen Schmerzes wachrufen. Pater Peter Singer war einer der liebenswürdigsten Priester, die wir gekannt haben. Sein Ruf als Musiker ging weit über die Grenzen unseres Landes hinaus. Er liebte aber auch die göttliche Musik über Alles. In seiner stillen Klosterzelle schuf er mehrere Instrumente, von welchen das Pansymphonikon, ein wohl einzig dastehendes Meisterwerk, alljährlich von Tausenden von Fremden bewundert wurde. Seinem Orgelspiele lauschte jedes Ohr mit Begeisterung und wer je den greisen Priester spielen hörte, dem wird er unvergeßlich bleiben.
Eine ungewöhnliche Herzensgüte sprach aus seinem Auge, das wohl nie zürnend auf seine Mitmenschen geblickt hat. Mit heiligem Eifer oblag er seinem hehren Berufe und erwarb sich so die Liebe und Verehrung Aller, die ihn persönlich kannten. Wie vielen unserer jungen Priester, die sich allzu sehr der ecclesia militans anschließen und als politische Eiferer ganz und gar auf die Religion der Liebe vergessen, konnte er als nachahmenswerthes Beispiel dienen. Sein Verlust ist gleich schmerzlich für den Orden, dem er angehörte, wie für das ganze Land Salzburg, das er mit aller Inbrunst liebte.
P. Peter Singer war fürsterzb. geistl. Rath, und am 18. Juli 1810 zu Häselgehr, in der Diözese Brixen, geboren. Er erreichte somit ein Alter von 72 Jahren und hätte am 13. Juli 1884 sein 50jähriges Priesterjubiläum gefeiert. Es war ihm leider nicht mehr vergönnt, diesen Tag zu erleben.
Wie wir nachträglich erfahren, hat P. Peter gestern Nachmittags 5 Uhr noch bei vollster Gesundheit seinen gewöhnlichen Spaziergang gemacht. In das Kloster zurückgekehrt, befiel ihn ein Unwohlsein, und wenige Augenblicke später stürzte er todt zusammen. Friede seiner Asche!
Die Beisetzung der sterblichen Ueberreste des hochachtbaren Mannes findet morgen Nachmittag 3 Uhr in der Klostergruft statt. Wie wir vernehmen, wird die Liedertafel ein von Jelinek componirtes Trauerlied in der Kirche singen.
Gestern Abends halb 6 Uhr ist der in weitesten Kreisen und fernsten Ländern bekannte Franziskaner P. Peter Singer plötzlich verschieden. Obwohl schon hochbetagt und durch mancherlei Gebrechlichkeit, besonders durch Nervosität zu vorsichtiger Schonung und Zurückhaltung genöthigt, war er doch bis zum Todestage ein berufsthätiger Priester seines Ordens wie der schönen Kunst der heiligen Cäcilia, der er in seiner Jugend sich verlobt. In Begleitung eines treuen Freundes, deren ihm so Viele mit aufrichtiger Verehrung ergeben waren, unternahm P. Singer doch gestern Nachmittags einen Spaziergang auf den Mönchsberg. Von dort heimgekehrt, ward er von heftigem Brustkrampf befallen und starb, nachdem er kaum in seiner Zelle die letzte Oelung empfangen, um halb 6 Uhr Abends neben jenem weltberühmten, von ihm erfundenen und selbstgebauten "Pansymphonikon", dessen originelle Klangmischung von Tausenden und Tausenden aus allen Weltgegenden und Ständen bewundert ward, wenn dieselben während der Fremdensaison in seine stille Klosterzelle pilgerten, um den berühmten Meister der Töne, einen der besten Orgelspieler im beschiedenen Mönchgewande, um halb 11 Uhr Vormittags spielen zu hören. Der Zudrang zu diesen ganz freiwilligen und Jedermann unentgeltlich zugänglichen Kunstproductionen war häufig ein so großer, daß das anspruchslose Zimmer des Franziskaner Paters die vielen Fremdengäste gar nicht zu fassen vermochte, und daß mitunter sogar Vorkehrungen für die Aufrechthaltung der Ordnung nöthig waren.
Nicht nur das Kloster verliert an P. Peter ein von echter Frömmigkeit beseeltes Ordensmitglied und eine Zierde des Ordens, sondern auch die Stadt Salzburg eine Celebrität und eine seiner Merkwürdigkeiten, so weit bekannt, wie sein Glockenspiel, seine Monumentalbauten, sein städtisches Museum etc. Die Trauer um seinen Verlust ist darum eine allgemeine.
P. Peter Alc. Singer, Novizenmeister und Organist, war geboren zu Häselgehr in Tirol am 18. Juli 1810, feierte vor zwei Jahren sein 50jähriges Ordensjubiläum und würde am 13. Juli 1884 auch sein 50jähriges Priesterjubiläum begangen haben.
Als Schriftsteller erregte er durch seine "Metaphysischen Blicke in die Tonwelt" durch Originalität und einfache Darstellung der Compositionslehre hervorragende, verdiente Aufmerksamkeit. Seine hinterlassenen Compositionen, durchwegs Kirchenmusik, sind unendlich reichhaltig an Zahl, Gattung und melodischer Erfindung. Auch auf dem Gebiete des urwüchsigen Humors war er eine Originalität und bezeugt dieselbe ein durch seine Freunde im Buchhandel gebrachtes "Vieh-Ideen" betiteltes Büchlein, welches eine Sammlung seiner humoristischen Einfälle enthält.
Der Friede Gottes, den er im Leben mit allen Menschen suchte, sei mit ihm!
K.
Aus Salzburg meldet man den Tod des weit über die Grenzen Oesterreichs hinaus bekannten Franziskanermönchs P. Peter Singer. Sein "Pansymphonikon", wohl auch "Polyharmonion" genannt, die Orgel in der altehrwürdigen Franziskanerkirche Salzburgs, welche, von den kundigen Fingern P. Peter"s gespielt, ein ganzes Orchester ersetzt, hat seinen Namen überall bekannt gemacht, und kein Tourist, kein Reisender verließ Salzburg, ohne P. Peter in seiner Klause aufgesucht und ihn sein wunderbares Instrument spielen gehört zu haben. P. Peter Singer war am 18. Juli 1810 in Häselgehr im Lechthale in Tirol als der Sohn eines Glockengießers geboren und trat mit 17 Jahren in den Orden, dem er durch 55 Jahre angehörte. Sein Talent für Musik und noch weit mehr für akustische Studien, seine mechanische Kunstfertigkeit und Sachkenntnis in der Bearbeitung von Holz und Metallen machten ihn zum Erfinder eines Instruments, dessen unscheinbares schlichtes Aeußere herrliche Töne barg. Singer hat als Sohn eines Glockengießers wahrscheinlich durch die Beschäftigung seines Vaters die ersten bleibenden Eindrücke erhalten und in sich verarbeitet. Eigenes Versuchen und eigenes Nachdenken waren ihm fast die einzigen Schlüssel zu den Geheimnissen der Tonkunst. Durch einen seltenen Instinct geleitet, drang er ziemlich tief in die praktischen wie den theoretischen Theil der Musik, und als Resultat in letzterer Beziehung gestaltete er ein neues System der Harmonielehre. Ungleich bedeutender und bekannter aber als auf diesem Gebiete war P. Singer als Spezialist im Instrumentenbau. Das oben erwähnte "Pansymphonikon" ist ein großer Kasten mit zwei Claviaturen und Pedalen, hauptsächlich nach dem Principe der Physharmonika nur aus Zungenpfeifen construirt. Vierzig Register geben der Melodie abwechselnd die Tonfarbe des Waldhorns, der Oboe, der Clarinette, der Violine, des Cellos u.s.w., während die linke Hand (auf der unteren Claviatur) nach Belieben eine Pianoforte- oder Physharmonika-Begleitung hinzufügt. Der Ton mancher Instrumente ist auf diesem Instrumente so wunderbar wiedergegeben, daß man ihn in keinem Orchester schöner finden kann. Tonmeister wie Lachner, Meyerbeer, Spohr staunten ebenso sehr über die Schönheit dieser Klänge, als praktische Orgelbauer über die unbegreifliche Einfachheit der Mittel, wodurch sie erreicht wurde. Welch geniale Begabung dieser Franziskanermönch besaß, kann man daraus entnehmen, daß er seine Instrumente nicht nur erfand, sondern selbst in seiner Zelle allein ausführte. Ein Besucher des musikalischen Pater hat ihn in einem Reisebriefe, der vor Jahren in diesen Blättern erschien, folgendermaßen geschildert: "In einem geräumigen Zimmer fand ich den großen hageren Klosterbruder in seiner braunen Kutte; er schob mir einen ledernen Armsessel zurecht und öffnete von einem hohen Kasten, der ein dürftiges Lager fast beschattete, zwei Flügeltüren. Er präludirte erst, und es klang wie Klavierspiel, dann zog er ein Register und sagte: "Flöte!" Und wirklich, wenn man die Augen zumachte, glaubte man eine schöne, volltönende Flöte zu hören und weiter nichts. Originell klang die Violine. Man hörte Strich für Strich, das zarteste Piano, brillante Läufe und ein hohes Staccato, dann wieder ein Geigengeschwirre und Rauschen wie in der Ouvertüre zu Mozart"s "Don Juan". Und so folgten mit unglaublicher Ton- und Charakter-Wahrheit Oboö, Fagott, Waldhorn, Violoncello (besonders schön) und Orgel. Und dieses Instrument hat Pater Peter in seinen klösterlichen Mußestunden selbst erdacht und eigenhändig erbaut in vielen Jahren. Aber diese Arbeit war das Glück seines Klosterlebens. Ja, mir kam mehr als einmal der Gedanke, als ich mich während seines Spieles in der großen hellen Zelle mikt den Büchertischen und Notenstößen und allerlei Tischler- und Schlosserhandwerkzeug umsah, als ich auf dem Schreibtischchen neben dem Blumenfenster und unter dem Bauer eines großen munteren Dompfaffen eine angefangene Noten-Composition und an den Wänden viele Klosterbrüder, geistliche und weltliche Leute in Photographie wahrnahm, und als ich einen Blick in den großen, sauberen Küchen-, Blumen- und Obstgarten des Klosters hinab und darüber hinaus auf die schönen, schneeblinkenden Berge warf und dann wieder das stillselige Gesicht des spielenden Mönches ansah ja, in allem Ernste, da dachte ich daran, ob in dieser stillen, schmucklosen Klosterzelle nicht am Ende das so viel gesuchte und niemals gefundene vollkommene Glück wohne? Man wird nun den ehrwürdigen Franziscaner aus seiner Zelle tragen, und die Frage wird sich aufwerfen, was mit seinem Wunder-Instrumente geschehen soll, von welchem behauptet wird, nur sein Erfinder könne es spielen und es sei auch zu groß, um durch die Zimmerthür geschafft werden zu können. Der Tod des berühmten Paters war leicht und rasch: er ist gestern Abends, nachdem er noch vorher einen längeren Spaziergang gemacht hatte, um halb 6 Uhr einem Schlaganfalle erlegen.
(P. Arsenius Niedrist)
St. Franzisci-Glöckleins wehmüthige Nachklänge zum Scheidezeichen
Am 25. Jänner ds. Js. ward die Ordensprovinz der Tiroler-Franziskaner in die tiefste Trauer versetzt durch das Hinscheiden eines Mitbruders, welchen die meisten Angehörigen der Provinz als ihren geistigen Vater verehrten, da er in dem Amte eines Novizenmeisters durch 36 Jahre 320 Ordensneulinge in das seraphische Leben eingeführt hatte. Es war der hochw. P. Peter von Alcantara Singer, der im Kloster zu Salzburg am obgenannten Tage in die ewige Ruhe einging. Ein Mann von seltenster Begabung, hervorragend in Wissenschaft und Kunst, war P. Peter besonders in der musikalischen Welt berühmt durch seine Meisterschaft im Orgelspiele. Sein Pansymphonikon, das von ihm selbst erfundene und eigenhändig verfertigte Musikinstrument, hatte im Laufe der Jahre Tausende von Fremden aus allen Theilen der Welt in seine Klosterzelle geführt und den Ruf seiner Kunstfertigkeit überallhin verbreitet. Was den hochbegabten Mann aber am verehrungswürdigsten machte, das war seine Virtuosität in der Frömmigkeit. Weit entfernt, durch Weltruhm eitel zu werden, betrachtete der echte, fromme Sohn des hl. Franziskus das Zuströmen fremder Besuche als eine Art geistlicher Wirksamkeit, wie es denn auch in der That eine stille, aber ungemein erfolgreiche Mission war, die der demüthige, gottbegeisterte Künstler in seiner armen Klosterzelle hielt; denn wer zählt die erbaulichen Anregungen und frommen Eindrücke, welche die vielen Besucher zugleich mit dem Entzücken über die Leistungsfähigkeit des berühmten Instruments und der Kunstfertigkeit des Meisters in ihrem Herzen mit sich nahmen hinaus in"s Leben? P. Peter gehörte fürwahr zu jenen Persönlichkeiten, in deren Nähe man die Gnade Gottes gleichsam zu fühlen glaubt. Ihn schmückten die liebenswürdigsten Tugenden des wahren Ordenspriesters: Demuth, Bescheidenheit und eine stets heitere und erheiternde Fröhlichkeit des Geistes, welche selbst im Alter seine Kräfte gleichsam zu verjüngen schien. Ein Meister in der Seelenleitung, ward er von hohen und höchsten Persönlichkeiten als Gewissensrath und Beichtvater gesucht und verehrt. Der hochsel. Cardinal-Erzbischof ernannte ihn zum geistlichen Rathe und die Mitbrüder bezeugten ihm ihr Vertrauen durch eine viermalige Wahl als Mitglied der Provinzvorstehung. Der tiefste Grund aber all der herrlichen Gaben, die an ihm in Erscheinung und Wirksamkeit traten, war sein Gebetsleben. Schon in den ersten Jahren, die er im Orden zubrachte, hatte er tief erfasst die Mahnung seines hl. Vaters Franziskus: "den Geist des Gebetes und der Andacht, dem alles übrige Zeitliche dienen muß, nie in sich erlöschen zu lassen." Um dies zu bewerkstelligen, erfand der junge Ordenspriester eine eigene Andachtsübung, wodurch der ganze Tag mit allen an selbem vorkommenden Gedanken, Worten und Werken und inneren und äußeren Leiden, ja selbst die dem Schlafe gewidmeten Stunden unmittelbar der Liebe Gottes geweiht und mit den mannigfaltigsten Liebes- und Tugendakten geziert und so das ganze Leben auch mitten unter der pflichtmäßigen Beschäftigung in beständigem inneren Umgange mit dem göttlichen Heilande zugebracht werden könne. Damit aber jeder Tag ein für sich bestehendes, aus geregelten Theilen zusammengesetztes Ganze sei, so ward jede Stunde einem gewissen Abschnitte des Lebens, Wirkens und Leidens Jesu geweiht, so daß alle 24 Stunden des Tages das ganze Leben, Wirken und Leiden Jesu von der Menschwerdung an bis zur Himmelfahrt umfassen. Ueber Auftrag seiner Obern schrieb P. Peter diese Andachtsweise dann in ein eigenes Büchlein zusammen und veröffentlichte dasselbe unter dem Titel: "Geistliche Betrachtungsuhr". Dies kostbare Büchlein, mit dessen Inhalt wir unsere Leser noch näher vertraut zu machen gedenken, hat bereits die sechste Auflage erlangt und von bewährten Geistesmännern die vollkommene Billigung gefunden, sowie es bei unzähligen frommen Christen, besonders unter den Kindern des III. Ordens die freudigste Aufnahme erhielt. Diese Uebung, sein Leben mit seraphischer Liebe zu durchdringen und zu heiligen, noch vermehrt durch eine Kette von Liebesakten zu Ehren der unbefleckten Gottesmutter, deren besonderer Verehrer er war, setzte der fromme Sohn des hl. Franziskus eifrig fort bis in sein Greisenalter von 72 Jahren, bis zu dem Tage, wo zwischen 5 und 6 Uhr Abends gerade in der Stunde, in welcher nach seiner Betrachtungsuhr die 12. Station, der Tod Jesu am Kreuze, angesetzt ist, und nachdem er unmittelbar zuvor noch die liebe Gottesmutter mit dem Angelus Domini begrüßt hatte, die Uhr seines Herzens stille stand, während seine Seele so dürfen wir wohl hoffen einging in die Freude Dessen, Dem hienieden all sein Wissen und Wirken, sein Lieben und Leben geweiht war.